Kinder- und Familienzentrum Violett

Wie ein Brennglas!

Ein Gespräch zwischen Nadyne Saint-Cast und Christine Hartmann über Kitas und Familienzentren

Foto: Felix Groteloh

Die „Kita Violett und Familiennetzwerk“ ist eine Kindertagesstätte und ein Familienzentrum in Weingarten. Stadträtin Nadyne Saint-Cast hat sich mit der Leiterin Christine Hartmann über die Herausforderungen der Coronakrise für die Kita und die Bedeutung von Kitas und Familienzentrum für die Bildung unterhalten.

Nadyne Saint-Cast: Wie ging und geht es den Familien in der Kita Violett während der Pandemie?

Christine Hartmann: Corona wirkt wie ein Brennglas. Das was vorher schon schwierig war, wird durch Corona verschärft. In unserer Einrichtung sind Kinder und Familien aus 30 verschiedenen Nationen. Verlust der Arbeit, Kurzarbeit, Fluchterfahrungen – in vielen Familien gibt es Ängste. Dadurch erhöht sich der Stress in der Familie. Dazu kommt die digitale Beschulung, die Beschäftigung der Kleinen, das Zubereiten mehrerer Mahlzeiten am Tag. Die Erwachsenen haben kaum noch Erholungsphasen und so entsteht eine Überforderung, die zu verbalen und körperlichen Grenzüberschreitungen führen kann. Der Nährboden dafür ist Hilflosigkeit und, dass Familien auf sich zurückgeworfen sind. Es gab natürlich auch Familien, die die Lockdown-Zeit gut bewältigt haben.

Nadyne Saint-Cast: Wie geht die Kita Violett mit dieser schwierigen Corona-Situation um?

Christine Hartmann: Wir haben so viele Kinder wie möglich in der Notfallgruppe betreut. Darüber hinaus haben wir schnellstmöglich eine Telefon- Hotline für die Familien aufgebaut. Jede Fachkraft von uns war für eine Anzahl bestimmter Familien zuständig und hat regelmäßig mit den Kindern und Eltern telefoniert. Wir waren so in einem engen Kontakt mit den Familien und konnten Hilfe leisten. Kinder mit heilpädagogischen und sprachlichem Förderbedarf wurden die ganze Zeit über in der Kita gefördert. So war es möglich, Entwicklungseinbrüche einzudämmen.In Kooperation mit der Quartiersarbeit haben wir zweimal in der Woche einen Eltern-Kind-Naturtag in unserem urbanen Garten angeboten. Wichtig war bei allen Aktionen, den Kontakt zu den Familien zu halten, sodass niemand übersehen wird.

Nadyne Saint-Cast: Können Kitas auffangen, was in Familien fehlt?

Christine Hartmann: Grundsätzlich sind Kitas familienbegleitende Angebote. Eine Kita integriert eine große Spannweite sozialer Unterschiede – von sehr gut organisierten Familien bis hin zu Familien mit einer Fülle schwer zu bewältigender Lebenssituationen. Wir beobachten, dass die Familiensituation vieler Kinder und Familien zunehmend sehr komplex ist. Die Kita allein kann diese Herausforderungen der Kinder und Familien nicht bewältigen. Nur gemeinsam mit den Eltern können wir Erfolge erzielen. Dafür braucht es Familienzentren.

Nadyne Saint-Cast: Was machen Familienzentren konkret und warum sind sie so wichtig?

Christine Hartmann: Kitas, die sich zu Familienzentren entwickeln, haben zum Ziel, eine gelingende Zusammenarbeit mit Kindern und Familien aufzubauen. Kinder- und Familienzentren sind Bildungs- und Entwicklungsorte, die Selbsthilfepotentiale der Eltern aktivieren. Ein Familienzentrum bietet alles unter einem Dach an: Erziehung, Bildung, heilpädagogische und sprachliche Förderung der Kinder sowie familientherapeutische Hilfen. Eltern werden z. B. über Elterncafés in Erziehungs- und Ernährungsfragen unterstützt. Ein gutes Aufwachsen von Kindern gelingt nur, wenn Familien die professionellen Unterstützungssysteme niederschwellig nutzen können. Es ist wichtig, dass ein Familienzentrum im Quartier gut vernetzt ist: Mit der Quartiersarbeit, der Grundschule, den Ärzt*innen, der Psychologischen Beratungsstelle, der Polizei. Dies ist für die Fachkräfte enorm wichtig, weil sie die Herausforderungen nicht alleine bewältigen können.

Nadyne Saint-Cast: Welche Bedeutung haben Kitas in unserem Bildungssystem?

Christine Hartmann: Der Grundstein für den Bildungserfolg des Kindes sind Bindung und Beziehung. Sie sind Basis für das Erlernen grundlegender Kompetenzen und Fähigkeiten. Zum Beispiel: Konzentriert bei einer Sache bleiben. Diese werden in den ersten drei Lebensjahren erworben. Danach geht dieses Entwicklungsfenster zu. Bei der frühkindlichen Bildung geht es also darum, ein lebenslanges, selbständiges Lernen in jedem Alter zu ermöglichen. Der Erwerb dieser Kompetenzen hat Auswirkungen auf unser ganzes Leben – beruflich wie privat!

 

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